19.04.2017

Bilanz der CO2-Fasten-Staffel 2017

Wie klimaverträglich kann man in Deutschland leben?

25 Klimaschutzmanagerinnen und Klimaschutzmanager aus der Europäischen Metropolregion Nürnberg, darunter auch das Team des Landratsamtes Bayreuth,  haben in der Fastenzeit 2017 einen Selbstversuch zum CO2-Fasten unternommen. Sie wollten damit herausfinden, ob man in Deutschland klimaverträglich leben kann. Nun ziehen sie Bilanz.

Die Teilnehmenden haben sich in ihrem privaten Alltag ganz unterschiedlichen Klimaschutz-Herausforderungen gestellt und darüber täglich auf einer Website gebloggt. Wie bei einem Staffellauf wurde jeden Tag ein neuer Teilnehmer oder eine neue Teilnehmerin nominiert, um von den eigenen Erfahrungen zu berichten. Durch die Kommentare der Beteiligten und weiterer Interessierter entstand regelmäßig ein reger und fundierter Austausch.

Die Resonanz war groß, die  selbstgestellten Herausforderungen ebenfalls. Es wurde geradelt statt Auto gefahren, bei der Ernährung nach klimaverträglichen Lebensmitteln gesucht, es wurden die Umweltauswirkungen verschiedener Produkte verglichen oder der Konsum reduziert. Neben den klassischen Klimaschutzthemen wie Mobilität, Ernährung und Stromsparen kamen auch ganz ungewöhnliche Themen zur Sprache: So baute ein Blogger als Fastenprojekt eine eigene Solarstromanlage, andere mischten torffreie Blumenerde,  testeten müllfreie Hygieneprodukte oder errechneten den CO2-Pfotenabdruck von Katzen, Hunden und weiteren Haustieren.

So entstand ein enormer Fundus an guten Ideen und praktischen Beispielen für Klimaschutzmaßnahmen im Alltag, der auf der Webseite www.co2fasten.wordpress.com dokumentiert ist.

Eines machte die Aktion ganz deutlich: Jeder Lebensbereich hat Auswirkungen auf den individuellen Ressourcenverbrauch, und häufig kann man schon durch kleine Maßnahmen viel erreichen: So reduziert sich etwa der Heizenergieverbrauch um sechs Prozent, wenn man die Raumtemperatur nur um ein einziges Grad absenkt.

Einigen Teilnehmenden fiel es schwer, die selbst gesteckten Ziele durchzuhalten. Manchmal spielten die Kinder nicht mit, wenn es darum ging, nach dem Sportunterricht mit den Eltern nach Hause zu radeln. Ein anderes Mal erschwerte der übervolle Terminkalender die Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs oder der Hirse-Burger schmeckte „einfach nur nach Pappe“. Viel häufiger jedoch brachte die Fasten-Herausforderung aber auch Bereicherung mit sich.  Stolz stellte sich ein, wenn der Weg zur Arbeit mit dem Rad zurückgelegt wurde, sich die Kondition verbesserte oder das regional-saisonale Abendessen Begeisterung bei den Gästen hervorrief.

„Insgesamt fand ich das Projekt faszinierend und motivierend“, resümiert Bernd Rothammel, Klimaschutzmanager des Landkreises Bayreuth. „Das Auto wird auch künftig häufiger in der Garage bleiben, denn mehr Fahrrad zu fahren, hat nicht nur Spaß gemacht, sondern auch meiner Gesundheit gut getan, vom Klimaschutz ganz zu schweigen. Großartig fand ich den selbstkritischen Austausch, die humorvolle Grundnote des Blogs und die vielen inspirierenden Anregungen.“

CO2-Ersparnis und Erkenntnisgewinn

Zu Beginn des Selbstversuchs erstellten die Beteiligten ihre persönliche CO2-Bilanz. Laut Umweltbundesamt beträgt der durchschnittliche CO2-Ausstoß pro Bundesbürger rund 12 Tonnen pro Jahr. Um das Klimaziel von Paris zu erreichen, darf es aber nur noch eine Tonne sein. Einige der teilnehmenden Klimaschutzmanagerinnen und Klimaschutzmanager verursachen nur noch die Hälfte der Emissionen des Bundesdurchschnittes. Und durch die Anstrengungen zur Emissionsvermeidung in der Fastenzeit hat sich die persönliche Umweltbilanz weiter verbessert. Trotzdem sind alle Beteiligten noch Meilen vom angestrebten „Ein-Tonnen-Ziel“ entfernt. Aktuell ist es also in Deutschland selbst mit den besten Bemühungen kaum möglich, klimaverträglich zu leben.

Trotzdem gibt es viele Möglichkeiten, die persönliche Klimabilanz zu verbessern: Das Spektrum reicht von investiven Maßnahmen wie Gebäudedämmung oder der Anschaffung einer Photovoltaikanlage bis hin zur Vermeidung von Plastiktüten oder dem Eigenanbau von Nahrungsmitteln. Es wurde jedoch auch ein anderer Punkt deutlich. Alle Beteiligten sind eingebunden in ein Wirtschaftssystem mit globalen Warenflüssen und profitieren von Infrastrukturen wie Straßen, Stromnetzen oder Kommunikationstechnologien. Dies alles hat auch Auswirkungen auf den persönlichen Ressourcenverbrauch. Daher sind die Einflussmöglichkeiten auf die eigene CO2-Bilanz zwar gegeben, aber sie sind nicht beliebig groß. 

Da das Thema Klimaschutz alle Lebensbereiche umfasst und die durch Konsum bedingten CO2-Emissionen einen großen Anteil ausmachen, stellt sich am Ende die Frage: Ist ein Wirtschaftssystem, das auf immer mehr Wachstum ausgelegt ist, dauerhaft möglich in einer begrenzten Welt? Auch wenn in Fachkreisen gemeinwohl- und klimaschutzorientierte Wirtschaftsmodelle diskutiert werden, ist die Patentlösung, die Wohlstand sichert und gleichzeitig Klimaschutz gewährleistet, noch längst nicht in Sicht. Gerade deswegen ist es notwendig, die Diskussion um Lebensstil und Ressourcenverbrauch lebendig zu halten und Ideen zu entwickeln. Dazu hat die  CO2-Fasten-Staffel einen Beitrag geleistet.

Katrin Ziewers, Klimaschutzmanagerin des Landkreises Bayreuth hebt hervor: „Für uns Klimaschutzmanagerinnen und Klimaschutzmanager hatte die Aktion noch einen wichtigen Nebeneffekt: Durch dieses überregionale Projekt haben wir unser Netzwerk gestärkt und uns besser kennen gelernt. Das wird auch künftig den fachlichen Austausch erleichtern und die Klimaschutz-Zusammenarbeit in der Metropolregion verbessern.“

Fastenstaffel als Stammtischgespräch

Positiv fällt auf, dass der Blog in der Region zu deutlichen Reaktionen geführt hat. Lokale Medien haben zum Teil ausführlich berichtet, die Involvierten wurden im Kollegen- und Freundeskreis auf die Aktion angesprochen und die CO2-Fastenstaffel wurde sogar zum Stammtischgespräch. Damit haben die Initiatoren ein wichtiges Ziel erreicht, nämlich das Thema Klimaschutz ins Gespräch zu bringen und konkrete Möglichkeiten für Klimaschutz im Alltag bekannter zu machen.

Der Blog verzeichnete über 15.000 Aufrufe bei mehr als 2.500 Leserinnen und Lesern. Die  täglichen Beiträge wurden zwischen 200 und 600-mal aufgerufen und mit über 300 konstruktiven und fachlich fundierten Kommentaren ergänzt. Die Nutzerstatistik verzeichnete Abonnenten unter anderem aus Deutschland, den USA, der Schweiz, Spanien, Luxemburg, Tansania, Neuseeland, Schweden, Österreich und Irland.

Kritische Stimmen

Auch kritische Stimmen wurden laut. Einige empfanden den Blog als zu exklusiv und elitär. So wurde bemängelt, dass so mancher Tipp nicht von Menschen mit geringen Einkommen umgesetzt werden könne. Und  Vertreter der regionalen Landwirtschaft kritisierten, dass die proklamierte Reduzierung des Konsums von Fleisch und Milchprodukten die regionale Wertschöpfung beeinträchtige. Dem hielten andere entgegen, dass durch die im Blog häufig ausgesprochene Empfehlung, regionale Produkte zu bevorzugen, die Wertschöpfung in der Region gefördert werde. Ein Schnitzel aus Oberfranken hat auf jeden Fall eine bessere Klimabilanz als ein Steak aus Argentinien.

Fortsetzung folgt?

Das Feedback wird auf jeden Fall bei einer eventuellen Fortführung im nächsten Jahr berücksichtigt. Die  Entscheidung darüber ist von den Klimaschutzmanagerinnen und Klimaschutzmanagern noch zu treffen. Das Interesse dazu besteht. Für den Fall, dass der Blog fortgesetzt wird, stehen schon Ideen im Raum. Beispielweise ist daran gedacht, den Kreis der Bloggenden auf andere Berufsgruppen zu erweitern, um eine größere Leserschaft  und neue Perspektiven gewinnen zu können.

In jedem Fall hat der Selbstversuch Potenzial zur Nachahmung. Das Service- und Kompetenzzentrum Kommunaler Klimaschutz beim Deutschen Institut für Urbanistik wird die CO2-Fastenstaffel als Praxisbeispiel für gelungene Öffentlichkeitsarbeit auf ihrem Internetportal veröffentlichen.

Vorerst wird der Blog noch ergänzt, die Projektbeteiligten haben noch die Möglichkeit, ein Resümee ihrer Fastenerlebnisse zu veröffentlichen. Diese sind nachzulesen unter https://co2fasten.wordpress.com/

Das Team

Klimaschutzmanager/innen arbeiten in Städten und Landkreisen an der Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen auf kommunaler Ebene. 

Im Jahr 2015 wurde anlässlich der 2. Internationalen Klimaschutzkonferenz der Metropolregion in Nürnberg aus dem „Forum Klimaschutz und nachhaltige Entwicklung“ der Europäischen Metropolregion Nürnberg (EMN) ein Initiativkreis der Klimaschutzmanager/innen gegründet, in dem 25 Kommunen und Landkreise sowie eine Arbeitsgemeinschaft vertreten sind.

Der Initiativkreis hat folgende Ziele:

•   Netzwerk für den konkurrenzfreien Ideen- und Erfahrungsaustausch zu Projekten und zu Themen des Klimaschutzes

•   Entwicklung von gemeinsamen Projektideen und Veranstaltungen

•   Bündelung der Kompetenz im Bereich Klimaschutzmanagement

•   Meinungsbildung und Ausarbeitung von politischen Stellungnahmen

Unterstützt wird das Projekt durch das Forum „Klimaschutz und nachhaltige Entwicklung in der Europäischen Metropolregion Nürnberg“ und das Service- und Kompetenzzentrum: Kommunaler Klimaschutz (SK:KK), das im Auftrag des Bundesumweltministeriums beim Deutschen Institut für Urbanistik (Difu) eingerichtet wurde.

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